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Tagungsbericht
Internationale Konferenz "Green Brownfields II"
Das sächsische Pillnitz mit seiner barocken Schlossanlage, die König August der Starke als Sommerresidenz erbauen ließ, war vom 15. bis 19. Juni 2003 Kulisse und Veranstaltungsort obiger Konferenz zu einer Thematik mit "Brachflächen", die im englischen Sprachraum als "Brownfields" bekannt sind.
Die internationale Konferenz mit dem Titel "Green Brownfields II - International Partnerships from Cleanup to Redevelopment", die unter der Schirmherrschaft des Sächsischen Ministerpräsidenten Prof. Dr. Georg Milbradt stand, versammelte internationales Fachpublikum aus 12 Ländern. Veranstalter war wie schon bei der Vorgänger-Konferenz "Green Brownfields I" in Salt Lake City, USA, im Jahr 1999, die Organisation Engineering Conferences International, Inc., New York.
Den Vorsitz der Konferenz hatten Prof. Herbert Klapperich von der TU Bergakademie Freiberg/Kompetenz-Zentrum für interdisziplinäres Flächenrecycling CiF e. V., Dale Medearis von der U. S. Umweltbehörde EPA und Prof. Dr. Volker Franzius, Direktor des Umweltbundesamtes, Berlin.
Die Thematik der Brachflächen und der damit verbundenen Kontaminationsgefahr hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Der Schutz natürlichen Bodens wurde einerseits mit der Einführung des Bundesbodenschutzgesetzes im Jahr 1998 auf eine eigenständige rechtliche Basis gestellt, andererseits hat sich die Bundesregierung in der Diskussion zur "nachhaltigen Entwicklung" das Ziel gesetzt, den allgemeinen Flächenverbrauch in Deutschland von derzeit 130 ha/Tag auf höchstens 30 ha/Tag im Jahr 2020 zu senken und damit der ungebremsten Versiegelung natürlicher Flächen Einhalt zu gebieten. Eine Schlüsselrolle zum Entgegensteuern der derzeitigen Entwicklung im Flächenverbrauch kommt dabei immer mehr den ungenutzten oder untergenutzten Brachflächen zu. Diese entstehen bei der Aufgabe von Altindustriestandorten, Gewerbeflächen, Wohngebieten, Militärstandorten oder bei der Beendigung von Bergbautätigkeit. Die Bandbreite der unterschiedlichen Flächengrößen reicht von einigen hundert Quadratmetern im Innenstadtbereich bis zu Tausenden Hektar in Gebieten des Braunkohlentagebaus. Ebenso unterschiedlich sind die Eigenschaften der Brachflächen hinsichtlich ihrer baulichen Überreste, vorhandener Altablagerungen und dem Ausmaß von Boden- oder Grundwasserkontamination. Diese Punkte erweisen sich denn auch als Schwierigkeiten bei der Entwicklung einer Brachfläche hin zu einer neuen Nutzungsform. Potentielle Investoren, die diese Risiken scheuen, weichen daher von vorneherein auf das Flächenangebot auf der "grünen Wiese" aus, das in jeder Gemeinde oder Stadt meist in reichlichem Umfang und zu fest kalkulierbaren Preisen zur Verfügung steht. Das gesellschaftliche und politische Streben nach einer Aufbereitung und Wiedernutzung brachgefallener Standorte scheitert demnach in der Praxis oft an den teilweise als unwägbar eingeschätzten Risiken auf der Brachfläche und am vorhandenen sonstigen Flächenangebot.
Zur Eröffnung wurden zahlreiche Grußworte seitens der Landesregierung Sachsen, von den Bundesministerien BMBF und BMU, dem Europäischen Parlament sowie Verbänden und Fachbehören überbracht.
Statements zur Einbettung der Themenkomplexe aus Sicht des ITVA sowie des Bundesumweltamtes Berlin (Dr. Franzius), der Bergbausanierung durch die LMBV (Dr. Kuyumcu/Dr. Ebersbach) und der Regionalplanung und innerstädtischen Entwicklung des sächsischen Staatsministeriums des Innern (Dr. Buttolo/Rooks) rundeten die Eröffnung ab.
Die Sitzung "View of Stakeholders - Key Issues" blätterte mittels Kurzreferaten von Vertretern aller am Flächenrecycling-Projekt beteiligten Akteuren die Bandbreite der in den 4 Konferenztagen dann vertieft behandelten Themen auf: Politik (Wilde), Legislative (Wolf), Eigner (Fischer), Entwickler (Noll), Investor (Trappmann), Planer (Schmidt-Schleicher), Versicherungswirtschaft (Mehrhoff), Brownfield-Markt (Hotten).
Zwei Keynote-lectures bestimmten die Sitzung "Policy & Research Activities": K. Steffens erläuterte den Stand der Arbeiten zum Flächenrecycling im Rahmen der bilateralen U. S. (EPA)-deutschen (BMBF) Kooperation sowie die Eckpfeiler der U. S. Brownfields Politik und D. Grimski referierte zu Forschungs- und politischen Koordinierungs-Projekten auf europäischer Ebene sowie über die Aktivitäten des Umweltbundesamtes, Berlin.
Dass die Problematik nicht nur in Deutschland Handlungsbedarf erfordert, wo infolge der Wiedervereinigung insbesondere zahlreiche Altindustriestandorte aufgegeben wurden, militärische Liegenschaften nach dem Abzug der sowjetischen Truppen hinterlassen wurden, oder ganze Wohnviertel durch Abwanderung leer stehen, zeigte die rege Beteiligung ausländischer Teilnehmer an der Konferenz. Anbei einige Beispiele:
In den USA, wo das Flächenangebot unendlich erscheint, wird ebenfalls seit Jahren versucht, "Brownfields" zu regenerieren, da diese einerseits ein Umweltrisiko darstellen und sich andererseits infolge ihrer Abgeschiedenheit als Keimzellen für Kriminalität erwiesen haben. Der Trend zur Suburbanisierung führte zu einem Verfall der Stadtstrukturen und kann nur durch die konsequente Entwicklung der verlassenen Flächen umgekehrt werden. Ein ganzheitlicher Ansatz, wie er zur Lösung der Brownfields-Problematik notwendig erscheint, wurde von Curt Milburn von der "Phalen Corridor Initiative", Minnesota, vorgestellt. Der ""Phalen Corridor" ist ein Projekt, bei dem Kommunalvertreter von vier angrenzenden Gemeinden am östlichen Ende der Stadt Saint Paul in Minnesota eine Initiative gestartet haben, um mit der Unterstützung von Unternehmen Brachflächen zu dekontaminieren, Industrieparks aufzubauen, Arbeitsprogramme zu entwerfen, neue Wohnviertel zu bauen und Grünflächen und Parks anzulegen.
In Spanien, dessen Wirtschaft lange überwiegend von Bergbau und Stahlindustrie abhängig war, generierten insbesondere die Veränderungen des Weltmarktes der letzten Jahrzehnte eine Vielzahl von Brachflächen im Bereich des Bergbaus, der Eisen-, Stahl- und Metallurgischen Industrie. Paula Fernadez-Canteli von der Geological Survey of Spain stellte die Besonderheiten zur Thematik in ihrem Land vor. Die aktuelle Entwicklung eines sogenannten "Weißen Buches" für spanische Brachflächen, das die Umweltschäden, sowie die technischen und rechtlichen Anforderungen an eine Revitalisierung aufführt, soll nun dazu beitragen, neue Formen für eine Wiedernutzung der Bergbaugebiete zu finden.
Die akute Brachflächen-Situation in Polen wurde ebenfalls am Beispiel einer Bergbauregion von Prof. Jan Walaszczyk und Cala Marek von der Universität Krakau geschildert. Die Kohleregion Oberschlesien erfuhr in den letzten 13 Jahren einen Produktionsrückgang von 200 Mio. Tonnen auf 100 Mio. Tonnen jährlich. Oberflächenschäden, Grundwasserwiederanstieg und die Nachbarschaft zu den noch im Betrieb befindlichen Minen stellen die größten Herausforderungen der polnischen Bergbauregion dar. Erste Nachnutzungskonzepte für die Bergwerke werden allerdings schon entwickelt, wie z. B. die Speicherung geothermischer Energie in den Minen als untertägige Gasreservoire.
Als Schwerpunktgebiete deutscher Bergbauregionen wurden im Rahmen der Konferenz das Ruhrgebiet, das Erzgebirge und die Braunkohlereviere Lausitz und Mitteldeutschland fokussiert. Die Anstrengungen in der Nachfolge des Steinkohlen-, Braunkohlen-, Uran- und sonstigen Erzbergbaus haben in den letzten 10 bis 15 Jahren in Deutschland bislang vielfältige Probleme, aber auch Erkenntnisse und Erfahrungen hervorgebracht. Der Umgang mit den Schäden und Hinterlassenschaften der bergbaulichen Tätigkeit erfordern nicht nur die Weiterentwicklung technischer Verfahren zur Altlastensanierung, sondern die gezielte Entwicklung wirtschaftlicher Lösungsansätze unter Einbeziehung eines dauerhaften Nachnutzungskonzeptes. Die Vorträge zu diesem Themenkomplex hielten u. a. Dr. Karla Ebersbach, Lausitzer und Mitteldeutsche Immobilienentwicklungsgesellschaft mbH, Dr. Alexander Jakubick, Wismut GmbH, Wolfgang Quecke, Deutsche Steinkohle AG und Dr. Dietmar Grießl, GUB Ingenieurgesellschaft mbH Zwickau sowie Friedrich Carl Benthaus (LMBV).
In einer Keynote-lecture erläuterte Gerhard Kmoch vom AAV, Nordrhein-Westfalen die Verbundaufgabe von Regierung und Industrie zum Flächenrecycling mittels des Kooperationsmodells seines Altlastensanierungs- und Altlastenaufbereitungsverbandes NRW.
Die Rolle des Investors, der Finanzinstitute, der Versicherungswirtschaft und der Politik stand während der Konferenz einen Tag lang im Mittelpunkt. Brachflächen im innenstädtischen Bereich sind für den Investor an gefragten Standorten meist "Selbstläufer", die keiner zusätzlichen Unterstützung neben dem eigentlichen Geschäftskonzept bedürfen. Risikobehaftete Flächen mit hoher Kontamination, problematischer Bebauung oder sensiblen Gründungsbedingungen erfordern dagegen eigene Strategien zur Deckung des erforderlichen Finanzbedarfs und eine besondere Risikovorsorge. Hier gilt es, den Investor mit gezielten öffentlichen Fördermitteln bzw. adäquaten Produkten der Versicherungswirtschaft zu unterstützen. Vertragsgestaltung und rechtliche Aspekte zu Fragen der Haftung wurden von deutscher, als auch von US amerikanischer Seite dargelegt. Die Notwendigkeit der Vermarktung und PR Aktivitäten für Brachflächen wurden ebenso unterstrichen wie die Anstrengungen auf Seiten der Öffentlichen Hand, die oftmals die Initialfunktion bei der Revitalisierung übernimmt. Zu den Aspekten der Planung zukünftiger Nutzung auf Brachflächen gab unter anderem Dr. Friedrich von Bismarck vom Steuerungs- und Budgetausschuss für die Braunkohlesanierung, Berlin, mit der These "Green is not enough" ein Statement ab, und stellte damit fest, dass es nicht ausreiche, brachgefallene Standorte zu begrünen, sondern dass die Chance zur Entwicklung einer Region genutzt werden muss, um auch Arbeitsplätze zu schaffen und Investitionen zu unterstützen. Die Perspektive des Investors stellten Thomas Höcker von Zerna, Köpper & Partner, David Christmann von der Aurelis Managemnt GmbH und Florian Reiff von der Firma Tishmann/ Speyer vor. Die Sicht der Banken zu Finanzierungsfragen bei der Brachflächenrevitalisierung erläuterte Stefan Weber, Vorstandsmitglied der Sächsischen AufbauBank. Gedanken zur Risikoeinschätzung und -absicherung, sowie zu Fragen der Haftung präsentierte Dr. Dietrich Mehrhoff von der AIG Engineering Group. Beleuchtet wurden weiterhin insbesondere rechtliche Aspekte der Brachflächenrevitalisierung. Interessante Beiträge hierzu lieferten Janett Keiser von der Central Puget Sound Regional Transit Authority, USA, und Rechtsanwältin Andrea Versteyl, Prof. Versteyl Rechtsanwälte, Hannover.
Eine andere Herausforderung stellen militärische Liegenschaften dar, die durch Einsparung innerhalb der Landesverteidigung entstehen oder aufgrund des Abzugs fremder Armeen, wie z. B. der sowjetischen Streitkräfte in Ostdeutschland. Es handelt sich oftmals um Flächen, die der Öffentlichkeit seit Jahrzehnten nicht zugänglich waren, spezifische Kasernenbebauung aufweisen und mit Munition, Treibstoff, Altöl oder sonstigen Substanzen meist großflächig verseucht sind. Die Gemeinden als Rechtsnachfolger sehen sich mit der Suche nach einer geeigneten zukünftigen Nutzung konfrontiert, sowie mit der Beseitigung der latenten Gefahren auf den Standorten. Beiträge zum Thema Militärische Brachflächen wurden präsentiert von Celia Clark von der Universität Portmouth, Großbritannien, über die zivile Nutzung militärischer Flächen, sowie von Herrn Peter Jäger von der IBL Umwelt- und Biotechnik GmbH aus Heidelberg.
Der Schlusstag war der Präsentation und dem Erfahrungsaustausch großer Projekte gewidmet und Beispielen zur innerstädtischen Brachen-Entwicklung (A. Huwe, Stadt Leipzig), zu Industrieflächen des Ruhr-Reviers (U. Güttler, DMT Essen), zur Bergbaufolgelandschaft mit einem strukturellen Konzept für Halden im Saarland (J. Hermanns, Hattingen) sowie der erfolgreichen Umwandlung einer Fläche zur Uran-Aufbereitung mitten in Dresden in einen modernen Geschäfts- und Industrie-Park (C. Korndörfer, Umweltamt, Stadt Dresden & F. Ohlendorf, Baugrund Dresden).
Während der viertägigen Konferenz kam aber auch das Rahmenprogramm nicht zu kurz mit einer Pillnitzer Weinbergtour und Verkostung sächsischen Weins sowie einer Exkursion nach Freiberg. An der Technischen Universität Bergakademie Freiberg wurden die Sitzungen "Brownfields Activities through the EPA's Hazardous Substance Research Centers" und "Future Perspectives of Brownfields - Activities and Visions" abgehalten. Hierbei wurde Einblick in die Arbeit der 10 US amerikanischen Forschungszentren der Umweltbehörde EPA gegeben, die die Brachflächenrevitalisierung in den US Bundesstaaten erforschen und unterstützen. Die Exkursion wurde fortgesetzt auf dem Areal der Saxonia Standortentwicklungs- und -verwaltungsgesellschaft mbH, Freiberg. Weitere Anlaufstationen waren das ehemalige Hüttengelände Muldenhütten in Freiberg sowie der Besuch des Freiberger Doms mit einem Silbermann-Orgel-Konzert und Bergbier auf der Zeche "Alte Elisabeth".
Künstlerisch "untermalt" wurde die Konferenz in Pillnitz in der Orangerie des Schlosses einerseits von der Künstlerin Mary Lou mit einer großformatigen und stimmungsvollen Ausstellung mit dem Titel ""Art in dialogue - nature, culture & technique" (Vernissage-Eröffnung durch Prof. Albrecht) sowie von der Sonderausstellung der Wismut GmbH "Bergbau, Menschen und Landschaften" mit Bildern verschiedener Künstler, die die Arbeit der Menschen und Landschaften im Uranerzbergbau der letzten Jahrzehnte eindrucksvoll dokumentierten (Eröffnung durch Herrn Rohner).
Im Rahmen der Konferenz "Green Brownfields II" erläuterten Referenten unterschiedlichster fachlicher Herkunft ihren Standpunkt zur Zukunft des "Flächenrecyclings". Vertreter von Politik, Verwaltung, Forschung, Industrie, Versicherungs- und Bankenwirtschaft zeigten Lösungsmöglichkeiten, aber auch Hemmnisse und Probleme der Brachflächenrevitalisierung auf.
Den besonderen Wert der Konferenz machte allerdings die Beteiligung von internationalen Fachreferenten und Fachpublikum aus. Neben US-amerikanischen und europäischen Teilnehmern spielten insbesondere Wissenschaftler aus osteuropäischen Ländern eine zentrale Rolle bei der Vortragsgestaltung. Die Problematik der brachfallenden Flächen des Bergbaus, der Industrie und der Innenstädte wird auch in Polen, Tschechien und Bulgarien als zukunftsentscheidendes Thema, insbesondere im Hinblick auf die Osterweiterung der Europäischen Union, erkannt. In den Vorträgen der osteuropäischen Referenten wurde jedoch sehr deutlich, dass diese Länder schon jetzt und auch in den nächsten Jahren mit Brachflächen einer ganz anderen Größendimension befasst sein werden. Der Austausch mit den Fachkollegen aus Osteuropa wird demnach auch für den Markt der "Brownfields" relevant sein. Für eine intensive internationale Kommunikation konnte mit der Konferenz "Green Brownfields II" hierfür ein wichtiger Beitrag geleistet werden.
Die Konferenzbeiträge sind in zwei Tagungsbänden VGE, Essen sowie und CiF e. V. Freiberg/Berlin erschienen und über CiF e. V. zu beziehen.
(Beate Aigner und Rene Otparlik)
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