CiF Kompetenz-Zentrum für interdisziplinäres Flächenrecycling & erneuerbare Energien e. V.
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Brachflächenentwicklung - ein Beitrag zur Nachhaltigkeit

Von Professor Dr. rer. nat. Hans-Peter Noll, Vorsitzender der Geschäftsführung der RAG Montan Immobilien GmbH, Essen

In Zeiten von Globalisierung und demographischem Wandel verändern sich die Nutzungen von Räumen immer schneller - und ein Ende ist nicht abzusehen. Dabei wird längst nicht jede Flächennutzung durch eine neue ersetzt. Zurück bleiben Brachflächen. In den letzten zwanzig Jahren waren vor allem die Auswirkungen der Globalisierung, der damit teilweise in Zusammenhang stehende Niedergang der Schwerindustrie in den altindustrialisierten Regionen Europas und die militärische Abrüstung infolge des Endes des Kalten Kriegs Gründe dafür, dass Flächen ihre Nutzungen verloren und oft nur schleppend oder gar keine neue Verwendung fanden. Die Dauerhaftigkeit von bestehenden Nutzungen ist unter den sich wandelnden Rahmenbedingungen unzuverlässiger geworden: Unternehmen begegnen den Anforderungen des Marktszunehmend flexibel und bleiben nicht mehrfür viele Jahrzehnte, sondern oft nurwenige Jahre an einem Standort. Gleichzeitig senkt der demographische Wandel vielerorts den Nutzungsdruck auf die Flächen.

Zusammenfassend kann davon gesprochen werden, dass in Deutschland die Raum- beziehungsweise Flächenentwicklung von Suburbanisierung, anhaltender Flächeninanspruchnahme im Umland sowie der Auflösung bestehender Strukturen hin zu dispersen Raumstrukturen geprägt ist. Die Flächennachfrage folgt der steigenden individuellen Mobilität und der Funktionstrennung von Wohnen und Arbeit. Einerseits kommt es durch Suburbanisierung zu einer weiteren Zersiedlung der Landschaft mit einer Zerstörung von vormals intakten Landschaftsräumen sowie einer höheren Verkehrsbelastung. Andererseits führt die Abwanderung von Kapital und Kaufkraft in das Umland zu einer Schwächung der Attraktivität und Zentralität der Innenstädte. Um der weiteren Dispersion des Siedlungsraums entgegenzuwirken, gibt es momentan wenig Alternativen zu einer klugen Bestandspolitik in den Bereichen Flächennutzung und -recycling, Innenentwicklung, Aufwertung oder Sicherung des Bestands. Um diesen Tendenzen entgegenzuwirken ist eine nachhaltige Flächenentwicklung sehr wichtig. Dem Flächenrecycling wird dabei auf der Ebene der Stadt- und Regionalentwicklung, aufgrund des Beitrags zur Verringerung der Flächeninanspruchnahme, das Potenzial zugesprochen, zur nachhaltigen Entwicklung beizutragen.

Die Bundesregierung hat den Handlungsbedarf im Bereich der nachhaltigen Flächenentwicklung erkannt. Als Hauptproblem hierfür sieht sie die Flächeninanspruchnahme durch Siedlungs- und Verkehrsflächen. Deshalb stellt dieser auch einen Handlungsschwerpunkt in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie dar. Unter dem Titel "Perspektiven für Deutschland - Unsere Strategie für eine nachhaltige Entwicklung" wurde die nationale Nachhaltigkeitsstrategie von der Bundesregierung im April 2002 verabschiedet. Mit dieser Strategie soll die Entwicklungsrichtung des Landes aufgezeigt werden. Dazu gehören Prioritäten für die nächsten Jahre, konkrete Ziele sowie Maßnahmen für die Umsetzung in der Praxis. Die Strategie bildet damit eine Grundlage für politische Reformen genauso wie für ein verändertes Verhalten aller gesellschaftlichen Akteure. Anhand der vier Leitlinien Generationengerechtigkeit, Lebensqualität, sozialerZusammenhalt und internationale Verantwortung ergibt sich ein umfassendes Leitbild für die nachhaltige Entwicklung in Deutschland. Hervorzuheben ist dabei, dass ein Schwerpunkt in der Verminderung der Flächeninanspruchnahme gesehen wird.

Die Bundesregierung will deshalb mit einer Doppelstrategie, die sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht steuernd auf die Flächeninanspruchnahme einwirkt, eine insgesamt nachhaltige Siedlungsentwicklung in Deutschland erreichen. Damit möchte sie dem Ziel näher kommen, die tägliche bundesweite Flächeninanspruchnahme bis zum Jahr 2020 auf 30 ha zu reduzieren. Der quantitative Ansatz zielt dabei auf eine weitere Entkopplung der Flächeninanspruchnahme vom Wirtschaftswachstum und eine deutliche Reduzierung der Flächenversiegelung ab. Der qualitative Ansatz hingegen beinhaltet den schonenden Umgang mit Grund und Boden. Die nationale Nachhaltigkeitsstrategie aus dem Jahr 2002 hat den Schwerpunkt "Flächeninanspruchnahme vermindern" nur programmatisch skizziert. Der Fortschrittsbericht im Jahr 2004 hingegen hat dieses Handlungsfeld mit Unterstützung des Rats für nachhaltige Entwicklung weiter ausgearbeitet und durch konkrete Maßnahmen ergänzt. Diese Maßnahmen sollen in ihrer Gesamtheit zu einer Reduzierung und qualitativen Verbesserung der Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke führen. Im Idealfall erreichen diese Maßnahmen, dass langfristig ein weitestgehender Flächenkreislauf durch Flächenrecycling etabliert wird und Flächenneuausweisungen durch Entsiegelungen und Renaturierungen kompensiert werden ohne dass negative ökonomische und soziale Auswirkungen entstehen.

Zu fragen bleibt: Wieviel Fläche wird eigentlich wieder nutzbar gemacht? Wieviel urbane Baulücken werden täglich geschlossen? Wieviel ha belastete Industriebrachen werden revitalisiert? Der Anteil reurbanisierter Flächen ist noch zu gering, denn Brachflächenrecycling kostet zuerst einmal Geld. Eine Kosten-Nutzen-Analyse ohne Quantifizierung der Umweltgüter ist jedoch unzureichend, ohne "Sustainability-Faktor" wertlos. Die Kosteneffektivität des Brachflächenrecyclings zu beziffern ist - zugegeben - keine leichte Aufgabe, eine interdisziplinäre zumal, mit allen Aspekten, die den kontaminierten, "anthropogen-überprägten" Grund und Boden zu einem Terrain mit vielen Stolpersteinen macht.

Es gibt viele gute spannende Ideen und Beispiele im Umgang mit Flächenrecycling. Sie entstehen vielfach "unten", vor Ort, wo die Probleme im Wortsinn begreifbarsind. Sie kommen von Praktikern, Wissenschaftlern, engagierten Bürgern, Menschen wie Ihnen.

Vor diesem Hintergrund wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, dass die Lektüre der neuen GLÜCKAUF wieder Ihr Interesse findet und Ihnen neue Einblicke gewährt.

Zögern Sie nicht, uns Ihre kritische Meinung mitzuteilen, denn jede Innovation wächst aus dem Gespräch.

Glückauf!

 

[Quelle: Glückauf 145 (2009) Nr. 10, S. 467]

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Stand: 20.11.2009